Kolumne – E-Scooter und warum wir sie noch nicht unterstützen
Inzwischen wurden wir hin und wieder darauf angesprochen, ob wir denn nicht einmal über die nun in Deutschland zugelassenen E-Scooter reden wollen. Lange haben wir überlegt, ob wir dazu überhaupt etwas produzieren. Gänzlich entschieden haben wir uns immer noch nicht, weil wir den Sinn der E-Scooter und dem Sharing noch nicht ganz verstanden haben. Ausprobiert haben wir sie natürlich und Spaß macht es auch, aber immer mehr entwickelt sich bei uns der Eindruck, dass die Scooter nahezu völlig unvorbereitet auf den Markt geworfen wurden, ohne ebendiesen auf die Scooter vorzubereiten.
Doch natürlich wollen wir diese Aussage nicht in der Luft stehen lassen. Daher haben wir mal die für uns aktuellen kritischsten Punkte rausgesucht und zusammengefasst.
1. An den meisten Stellen fehlen Wege, oder die existierenden sind nur unzureichend
Mit den E-Scootern darf man nicht auf Bürgersteigen fahren, was wir vollkommen unterstützen. Also muss man auf Fahrradwege ausweichen. Doch da zeigt sich zumindest in Berlin (und wir denken, dass trifft auch für viele andere Städte zu), dass der Ausbau der Radwege einfach noch viel zu dürftig ist. Höchst selten kommt es vor, dass der Radweg entweder farblich oder räumlich (z.B. durch Huckel) auffallend getrennt von der Straße und dem Bürgersteig verläuft. In den meisten Fällen ist der Radweg, wenn es ihn überhaupt gibt, auf der Straße und da teilweise sogar nur durch eine gestrichelte Linie abgetrennt. Und was der gefühlt häufigste Fall ist, dass es einfach gar keinen Radweg gibt. In den letzten beiden Fällen fährt man dann praktisch auf der Straße, was nicht nur eine erhöhte Lebensgefahr bedeutet, sondern eben zumindest das Unfallrisiko um ein Vielfaches steigert.
Und dann gibt es immer wieder Situationen, in welchen man mit dem E-Scooter vom „Radweg“ von der Straße auf den Radweg auf dem Bürgersteig hochfahren muss. Da gibt es einen kleinen Huckel von der Bordsteinkante. Mit dem Fahrrad ist das kein Problem, mit dem E-Scooter heißt es absteigen oder hinfallen.
Hier braucht es also erst sichere Radwege, wenn nicht sogar an einigen Stellen überhaupt welche.
2. Keine Helmpflicht
Aufgrund der für E-Scooter recht gefährlichen Lage mit den Wegen, welche befahren werden dürfen, können wir nicht verstehen, weshalb es keine Helmpflicht gibt. Ganz nebenbei könnte man die auch für Fahrradfahrer einführen, aber das ist ein anderes Thema. Bei Fahrradfahrern gibt es durchschnittlich 0,5 Unfälle pro 100.000 km in Berlin. Bei den E-Scootern liegt die Quote fast sechs Mal so hoch: 2,9 Unfälle pro 100.000 km. Hier braucht es eine Helmpflicht, ohne Wenn und Aber!
3. Abbiegen kann nicht signalisiert werden
Die Straßenverkehrsordnung gibt es dafür, dass die anderen Verkehrsteilnehmer vorhersehen können, was man selbst wahrscheinlich (gleich) macht. Wenn man mit einem Auto bremst, leuchten Bremslichter. Wenn die Ampel rot wird, hält man an. Wenn man blinkt, biegt man ab. Doch genau hier geht es los. Ein für E-Scooter nahezu lebenswichtiges Zeichen kann nicht angezeigt werden: das Abbiegen. Wenn man beim Fahrradfahren das Abbiegen signalisieren will, hält man den linken bzw. rechten Arm raus. Doch nimmt man eine Hand beim E-Scooter vom Lenker, fällt man hin. Hinzu kommt noch, dass man beim E-Scooter den Beschleunigungshebel drücken muss. Würde man also den rechten Arm zum Abbiegen nutzen und vom Lenker wegnehmen können, würde es trotzdem nichts bringen, weil man dann anhalten würde.
Hier bräuchte es also ein Knopfsystem, welches man am Lenker mit dem Daumen der linken Hand bedienen kann und was dann in technischer Form signalisiert, dass man abbiegen will.
4. Kein Führerschein nötig
Grundsätzlich gilt das ja auch für’s Fahrrad. Hier wird auch kein Führerschein im klassischen Sinne benötigt. Aber die meisten werden in der Schule eine Art Fahrradschein gemacht haben. Dort beschäftigt man sich einen ganzen Tag mit dem Radfahren, probt Verhalten an verschiedenen Arten von Kreuzungen und macht zum Schluss auch einen kleinen Theorietest. Selbst wenn man dies nicht besteht, hindert einen ja keiner am Fahrrad fahren, aber man hat mitbekommen, wie man sich eigentlich mit dem Fahrrad verhalten sollte. Und genau das fehlt scheinbar vielen E-Scooter-Fahrern. Sowohl das Verbot auf den Bürgersteigen zu fahren wird regelmäßig ignoriert, als auch sich immer an Fahrrad-Ampeln zu halten und nicht an die Fußgängerampeln. Und wenn es keine Fahrradampeln gibt, so muss man sich mit E-Scooter sowie mit dem Fahrrad an die Ampel für die Autos halten.
Dieser Punkt steht auch wieder in Verbindung mit dem Dritten. Schlussendlich soll es darum gehen, dass sich Verkehrsteilnehmer für die anderen vorhersehbar verhalten, um Unfälle zu verhindern. Doch auch unverantwortliches Verhalten wie, dass E-Scooter regelmäßig mitten auf den Bürgersteig gestellt werden, könnte man dadurch vielleicht minimieren. In Paris ist dieses Verhalten sogar so extrem geworden, dass es nun nicht mehr erlaubt ist, auf Bürgersteigen E-Scooter abzustellen.
Durch einen Kurs, der ein paar Stunden geht, könnte man so viele fragwürdige Verhalten verhindern. Dies fordern immer mehr Verbände, so erst kürzlich die Fußgängerverband.
5. Eine ökologische Katastrophe
E-Scooter kosten ab 150 Euro bis hin zu ein paar Tausend Euro. Die Sharing-Anbieter kaufen diese ein und bauen daraufhin noch Ihre Technik für das Sharing dazu. Außerdem werden diese natürlich noch mit den Marken des Anbieters beklebt. Dann sind sie mit Glück eine Hand voll Monate im Einsatz und anschließend heißt es schon: auf den Recycling-Hof.
E-Scooter sollten von Anfang an kein anderes Verkehrsmittel ersetzten. Somit war allen bewusst, dass ein Verkehrsmittel mehr auf der Welt ist, sobald diese zugelassen worden sind. In sofern stand der „ökologische Aspekt“ nie im Vordergrund, sondern der ökonomische. Doch der Effekt wird noch deutlich verschlimmert, indem E-Scooter nach nur durchschnittlich knapp ein bis sieben Monaten entsorgt werden müssen, weil sie einfach zu stark benutzt wurden und meist defekt sind. Auch wenn dies von Land zu Land abweicht. In Deutschland gibt es dafür natürlich noch keine Statistiken.
Unser Fazit
Alles zusammen führt dazu, dass sich aktuell ein Verkehrsmittel etabliert, für welches keine richtigen Wege existieren, keine Signalisierungsmöglichkeiten zum Abbiegen existieren, kein Führerschein oder Kurs gemacht werden muss und welches zu guter Letzt der Umwelt nicht im Geringsten hilft.
In Zukunft wird sich bestimmt vieles davon lösen, aber derzeit sind wir noch keine Fans von E-Scootern…
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